Ars Sacra – Eine Reise durch 2000 Jahre christliche Kunst und Architektur

Das Lichtspiel farbig gestalteter Kathedralenfenster, die überwältigende Dramatik barocker Deckengemälde oder die feinsinnig geformten Kirchenskulpturen der Gotik – die sakrale Kunst des Christentums brachte faszinierende Bilderzeugnisse hervor, die Ihr Euch nicht entgehen lassen solltet.

Ars Sacra – 2000 Jahre christliche Kirchenkunst

Ars Sacra – 2000 Jahre christliche Kirchenkunst

Befindet man sich auf Reisen, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, diese Schätze unserer Kultur zu bestaunen. Inmitten des touristischen Trubels, stellen Kirchen und Kunstmuseen für mich einen Raum der Stille dar, deren alte Mauerwerke erholsame Kühle spenden. Die Sonderausgabe des Buches Ars Sacra bot mir die Gelegenheit, mich auf eine imaginäre Reise zu begeben und meinen Besuch von Kunstorten Revue passieren zu lassen. Bei meiner Tour durch die Epochen der Kunstgeschichte möchte ich Euch mitnehmen und dabei auch weniger bekannte Werke der Ars Sacra vorstellen.

Doch zunächst zu diesem prachtvollen Bildband: Das Kompendium wirft einen Blick auf 2000 Jahre christliche Kunst. Es ist also kein Wunder, dass der Band zu einer solch opulenten Größe anwuchs und dass er in meinem Buchregal ein wahrer Blickfang ist. Die Dimension von Ars Sacra erlaubt die Präsentation großformatiger Abbildungen von Kunstwerken und Architektur. Die spektakulären und einzigartigen Fotografien vermitteln eine gute Vorstellung von der erhabenen Größe der in den Himmel strebenden Kathedralen der Gotik. Kein Urlaubsfoto könnte einfangen, was dem Fotografen Achim Bednorz gelungen ist. Die aufgenommenen Bauwerke und Skulpturen hinterlassen einen derart plastischen Eindruck, dass sie zum Greifen nahe wirken.

Formenschöne Details ornamental verzierter Maßwerkfenster machen die filigrane Zartheit gotischer Architektur erfahrbar. Kleine Figuren werden sichtbar. Sonst im großen Ensemble eines romanischen Türbogens eingebettet, erzählen sie nun ihre eigene Geschichte. Stets lassen sich mit diesem Buch neue Details entdecken. Einer chronologischen Anordnung folgend, führt das vom Kunstexperten Rolf Toman herausgegebene Kompendium durch die Epochen unserer Kultur.

Dabei kann man den spätantiken Bau der Hagia Sophia im byzantinischen Reich verfolgen, in Details der Bildzyklen der Malerei der Renaissance schwelgen, das barocke Fest der Sinnlichkeit erfahren sowie die ornamental verzierten Kirchenbauten des Jugendstils kennenlernen. Es ist schon erstaunlich, welche Vielfalt an Bildzeugnissen die künstlerische Auseinandersetzung mit Religion hervorgebracht hat: Kirchen, Kapellen und Klöster, Altarbilder, Mosaike, Fresken, Skulpturen, Goldschmiede- und Buch-Kunstwerke sowie liturgische Geräte. Einige Kunstwerke und Bauten möchte ich Euch nun vorstellen.

Chartres: Die erhabene Schönheit gotischer Kathedralen

Innenraum der Kathedrale in Chartre, Foto: © Joachim Bednorz

Innenraum der Kathedrale in Chartre, Foto: © Joachim Bednorz

Nur einen Katzensprung von der französischen Hauptstadt entfernt, befindet sich die Kleinstadt Chartres, durch deren verkehrsberuhigte Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen man zum Urbild französischer Gothik gelangt. Paris-Besuchern kann ich einen Ausflug nach Chartres wärmstens empfehlen! Mehrmals täglich fahren ab dem Bahnhof Paris-Montparnasse Züge direkt nach Chartres. Bereits aus großer Entfernung grüßt den Reisenden die Silhouette der Kathedrale.

Wer in die mystische Welt mittelalterlicher Spiritualität eintauchen möchte, sollte das bunte Lichtspektakel der weltweit größten Kirchenfensterfläche aus dem 12. und 13. Jahrhundert auf keinen Fall verpassen. Das durch die kobaltblauen, rubinroten und smaragdgrünen Glasflächen durchscheinende Tageslicht wirft farbige Leuchtflächen in das Kirchenschiff und erzeugt durch seinen geheimnisvollen Schimmer eine magische Stimmung. Den Gläubigen des Mittelalters vermittelten sie die überirdische Präsenz Gottes und schürten bei ihnen die Sehnsucht nach dem Jenseits. Und tatsächlich: Je länger ich mich dieser Farbenpracht hingab und mich in die auf dem Glas dargestellten biblischen Szenen und Symbolen versenkte, desto mehr schien die Außenwelt zu verschwinden.

Ein Blick in den Band Ars Sacra lässt mich staunen. Dort finde ich nicht nur das große Rosettenfenster der nördlichen Fassade in seiner vollen Pracht zu einer Tageszeit mit perfektem Lichteinfall wieder, sondern entdecke auch Neues. Eine Nahaufnahme zeigt einen Fensterausschnitt, der von der Errichtung der Kathedrale erzählt. Steinmetze, Bildhauer und Maurer zeigen, wie sie die außergewöhnliche Kirche mit viel Kunstfertigkeit und handwerklichem Geschick erbauten. Aufgrund der Vielfalt an biblischen Motiven und der Höhe, in der sich diese Szene befindet, hatte ich dieses spannende Detail während meines Besuchs in Chartres übersehen und konnte es mir jetzt in dem Buch noch einmal ganz genau anschauen.

Glasfensterdetail in der Kathedrale von Chartre, Foto: © Joachim Bednorz

Glasfensterdetail in der Kathedrale von Chartre, Foto: © Joachim Bednorz

Die Sixtinische Madonna: Malerei der Renaissance

Die Sixtinische Madonna des Malers Raffael ist eines der berührendsten Meisterwerke der Renaissance. Wer es im Original bewundern möchte, braucht nicht ins Ausland zu fahren. Das Bild befindet sich in der Obhut der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden und feierte vor nicht allzu langer Zeit seinen 500. Geburtstag. Ihr kennt es ganz sicher. Wenn Ihr Euch die herzigen Engel, die am unteren Bildrand lümmeln, anseht, dann werdet ihr das Gemälde bestimmt wiedererkennen. Die beiden Himmelsknaben sind die Stars vieler Weihnachtskarten und wurden auf zahlreichen Produkten, ob Keksdose, Bettwäsche, Poesiealbum oder Regenschirm, reproduziert – was für eine Karriere!

Die Darstellung der Gottesmutter mit Jesuskind gehört zu einem der häufigsten Bildgegenstände christlicher Ars Sacra. Seit dem 3. Jahrhundert bemühen sich Künstler um eine gebührende Darstellung dieser für das Christentum so bedeutenden Konstellation. Doch so anrührend wie bei Raffael gibt es sie sicherlich nirgendwo sonst zu sehen. Aus der Finsternis des Mittelalters aufsteigend strahlt diese jugendlich aussehende Renaissance-Madonna mit ihren differenziert gestalteten Gesichtszügen eine besondere physische Präsenz aus. Mit ergreifender Innigkeit hält sie das Kind im Arm. Schwerelos schwebt sie dem Betrachter entgegen und blickt wissend in die Welt. Raffaels Gemälde spiegelt den Geist der Renaissance wieder. Statt der schematischen Darstellung von Figuren vorhergehender Epochen werden Menschen nun nach dem lebenden Modell verbildlicht, erhalten erstmals eine individuelle Gestalt und zeigen einen viel lebendigeren Gefühlsausdruck. Wie kein zweiter hat Raffael die Ars Sacra geprägt.

Die Sixtinische Madonna stammt aus einer Reihe von Bildern der Gottesmutter mit Kind. Mit seinen Gemälden schrieb er das Bild der jugendlichen Madonna fest, das fortan die Darstellung der Maria dominierte. Weitere Werke genialer Renaissance-Künstler könnt Ihr auf den Fotografien des Bandes Ars Sacra entdecken. Tausende Kilometer reiste der Fotorgraf Achim Bednorz für diese Aufnahmen durch die Welt. Das Buch bietet Euch zudem faszinierende Einsichten in den kulturgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehungszeit.

Bild der Sixtinischen Madonna, Foto: © Artothek

Bild der Sixtinischen Madonna, Foto: © Artothek

Die Wieskirche: Die Sinnlichkeit des Rokoko und Barock

Der prachtvolle Innenraum der Wieskirche, Foto: © Joachim Bednorz

Der prachtvolle Innenraum der Wieskirche, Foto: © Joachim Bednorz

Während einer sommerlichen Wanderung durch die malerische Natur des bayerischen Voralpenlandes, über Wälder und Wiesen stieß ich in meinem Urlaub einmal auf ein prachtvolles Gebäude – die Wieskirche. Ganz erstaunt darüber, ein solches Wunderwerk des Spätbarock einsam inmitten einer ländlichen Idylle stehend zu entdecken, betrat ich das kühle Kirchenschiff. Was sich mir bot, war ein wahres Fest der Sinnlichkeit: Das Zusammenspiel von ausladender Stuckdekoration an Wänden und Decken, im Sonnenlicht heiter strahlenden Goldverzierungen, der religiösen Inbrunst der Skulpturen sowie von der Farbenpracht der illusionistisch gestalteten Deckenfresken, wirkten überirdisch und erhebend. Beim Durchschreiten dieses festlichen Kirchenraums erfuhr ich von einem Reiseleiter, der eine Besuchergruppe die Entstehungsgeschichte des Ortes erklärte, warum sich dieses prunkvolle Rokoko-Bauwerk in der Abgeschiedenheit der Natur befindet. Es ist die wundersame Geschichte der Bäuerin Maria Lory die im Jahre 1738 in den Augen einer Skulptur, die den leidenden Jesus darstellt, Tränen zu erkennen meinte. Zahlreiche Gläubige pilgerten von da an zum Ort des Tränenwunders. Wenige Jahre später errichtete der Baumeister Dominikus Zimmermann diese einzigartige Wallfahrtskirche im damals vorherrschenden Stil des Rokoko. Mittlerweile wurde sie zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Wenn ihr einen Urlaub in Bayern plant, solltet ihr der Wieskirche bei Steingaden unbedingt einen Besuch abstatten. Mit Ars Sacra konnte ich dieses Kunstwerk noch einmal in Ruhe auf mich wirken lassen. Einfach sehenswert!

Notre-Dame-du-Haut von Ronchamp: Christliche Kunst und Architektur der Moderne

Wer meint, mit dem säkularen Zeitalter der Moderne, bringe die Ars Sacra keine bedeutenden Kunstwerke mehr hervor, der täuscht sich. Denkt beispielsweise nur an die in Blautönen leuchtenden biblischen Gestalten der von Marc Chagall bemalten Glasfenster in Mainz, Metz oder Chicago. Auch der wohl bedeutendste deutsche Gegenwartskünstler Gerhard Richter schuf für ein Fenster im Kölner Dom aus 11 500 einzelnen Farbquadraten ein abstraktes Glasmosaik. Nahe der französisch-deutschen Grenze befindet sich am Fuße der Vogesen eine Ikone des modernen Kirchenbaus.

Frankreichbesuchern begegnet auf der Autobahn ein Schild, das auf die Sehenswürdigkeit Notre-Dame-du-Haut von Ronchamp aufmerksam macht. Der Abstecher lohnt sich. Biegt man von der Autobahn ab, ist es nicht mehr weit bis zu diesem außergewöhnlichen Sakralbau. Vom Standpunkt der auf einem Berg gelegenen Kapelle kann man weit in die Landschaft des ostfranzösischen Mittelgebirges blicken. Sie wurde von Le Corbusier wie eine begehbare Skulptur konzipiert. Aus kargem Beton bestehen die Grundmauern, die von zwei weit in die Landschaft ragenden Betonschalen abgedeckt werden. Man kann darüber sinnieren, ob es sich um ein Schiff handelt, das Dach mehr eine Ähnlichkeit mit einem Hut, einer Nussschale oder einem durchhängenden Tuch hat – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Oder was meint Ihr?

Christliche Kunst und moderne Architektur: Die Kirche von Notre-Dame-du-Haut von Ronchamp (unten links) und ihr lichtverspielter Innenraum (unten rechts), Foto: © FLC/ VG Bild-Kunst, Bonn 2010: Le Corbusier

Christliche Kunst und moderne Architektur: Die Kirche von Notre-Dame-du-Haut von Ronchamp (unten links) und ihr lichtverspielter Innenraum (unten rechts), Foto: © FLC/ VG Bild-Kunst, Bonn 2010: Le Corbusier

Seht Euch diese wunderbaren Bauwerke doch einmal selbst vor Ort an und besucht anhand des Buches Ars Sacra weitere Stationen der Geschichte christlicher Kunst! Wenn Ihr weitere Tipps habt, wo man wunderschöne Kirchen und sakrale Kunstwerke bewundern kann, schreibt es einfach unten in die Kommentarbox. Ich freue mich immer über Anregungen für meine künftigen Ausflüge und Reisen zu Orten sakraler Kunst.

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